Umlaufbeschluss im KV?

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Was kann man tun, wenn eine Frage im Kirchenvorstand schnell entschieden werden muss und nicht extra eine Sitzung einberufen werden soll? Ist ein sogenanntes Umlaufverfahren mit Beschluss möglich? 
Ein Beschluss des Kirchenvorstandes im Umlaufverfahren per Telefon, Brief, Fax oder E-Mail ist in der Kirchengemeindeordnung (KGO) nicht vorgesehen. § 41 KGO verlangt das Zusammenkommen und die Anwesenheit der Mitglieder, damit der Kirchenvorstand nach gemeinsamer Meinungsbildung einen Beschluss fassen kann.
Ein Umlaufbeschluss ist aber ausnahmsweise unter gewissen Bedingungen möglich. Ein Umlaufverfahren ist nur gerechtfertigt, wenn alle Mitglieder im Kirchenvorstand dem Verfahren zustimmen. Jedes Mitglied im Kirchenvorstand hat nämlich das Recht, auf eine gemeinsame Meinungsbildung im Gremium zu bestehen.
Gemeinsame Meinungsbildung bedeutet ein gemeinsames Abwägen. Jedes Mitglied im Kirchenvorstand soll die Möglichkeit haben, seine Gesichtspunkte und Argumente einzubringen und dadurch auf die Meinung der anderen und damit des gesamten Kirchenvorstandes einzuwirken. Jedes Mitglied hat aber auch das Recht, durch den Austausch oder auch durch die Fachkunde der anderen Mitglieder („Was sagt unser Bauprofi dazu?“) seine Meinung zu entwickeln.
Dieser Meinungsbildung geschieht in der Sitzung im gegenseitigen Austausch und ist natürlich nicht möglich, wenn ein Umlaufverfahren nur nach einer Stimmabgabe fragt. Diese Art der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung erwartet das Kirchenrecht vom Kirchenvorstand. So sind kompetente und ausgewogene Beschlüsse möglich.
In Ausnahmefällen können die Mitglieder des Kirchenvorstandes auf die Wahrnehmung dieses Rechtes aber auch verzichten. Daher ist ein Umlaufbeschluss rechtmäßig, wenn alle Gremienmitglieder im konkreten Einzelfall diesem Verfahren zustimmen. Dann müssen aber wirklich alle darauf verzichten, das ist keine Frage der einfachen Mehrheit. Insbesondere bei eilbedürftigen und einfachen Sachverhalten, aber auch bei Entscheidungsgegenständen, deren Beratung im Gremium schon größtenteils stattgefunden hat (es fehlt z.B. nur noch ein Kostenvoranschlag), kann dieses Verfahren geeignet sein. Bei komplexeren Fragestellungen ist das sicherlich nicht möglich.
Bei der Abstimmung im Umlaufverfahren sind die Fragen des Verfahrens und die Sachfrage also voneinander zu unterscheiden. Es sind zwei Entscheidungen nötig, eine einstimmige zum Verfahren und eine Mehrheitsentscheidung zur Sachfrage, beispielsweise könnte der Beschlussantrag so formuliert sein:

A) Ich stimme dem Verfahren eines Umlaufbeschlusses in der vorgelegten Angelegenheit (...) zu, wobei mir klar ist, dass dieser Beschluss nur einstimmig gefällt werden kann. Ja / Nein.
B) In der Sachentscheidung zum Antrag (…) stimme ich mit Ja / Nein, wobei mit klar ist, dass hier die Entscheidung mit einfacher Mehrheit gefällt wird.

Erforderlich ist dann ein Rücklauf von allen Mitgliedern des Kirchenvorstandes. Die Anzahl für die übliche Beschlussfähigkeit (§ 41 KGO) des versammelten Gremiums reicht nicht aus. Evtl. muss bei Eile telefonisch das Ergebnis abgefragt und dokumentiert werden. Ist die Entscheidung A einstimmig und ohne Enthaltung mit Ja getroffen, dann gilt der inhaltliche Beschluss B, wenn die Mehrheit hier mit Ja gestimmt hat (§ 43 Abs. 1 KGO). Gibt es hingegen zur Abstimmungsfrage A auch nur eine Nein-Stimme, dann ist ein Beschluss nur in der Sitzung des Kirchenvorstandes möglich. Die Mehrheit in der Abstimmung B ist dann bedeutungslos.
Hier sollten die Mitglieder im Kirchenvorstand nicht unnötig gedrängt werden, diesem Verfahren zuzustimmen. Wer zunächst eine Aussprache im Gremium wünscht, macht sein gutes Recht geltend und befindet sich völlig in Übereinstimmung mit den Absichten der Kirchengemeindeordnung.



Johannes Bermpohl, Rechtsreferent im Landeskirchenamt